Hallo Cleopatra,
Cleopatra hat geschrieben:Ein halbes Jahr fürs Konzept? Nee. Dann kann man es auch gleich sein lassen.
Das sehe ich entschieden anders. Nicht nur, weil man sich mit einem verschwommenen Konzept und einer unklaren Vorstellung der Adressatengruppen (Plural!) unweigerlich die Karten legt, sondern weil das die konkrete Arbeit auch überhaupt nicht behindern oder gar ausschließen muß!
Wie ist denn die Arbeitsweise bei einem solchen Projekt? Man schreibt doch nicht Kapitel für Kapitel, stempelt "
Fertig!" drauf und legt sie in den Tresor bis zur Veröffentlichung. Also ich jedenfalls könnte so nicht arbeiten. Nein, man sammelt Texte, legt sie beiseite, nimmt sie sich wieder vor, überarbeitet, verwirft das eine oder andere, neue Ideen kommen hinzu, manches klärt sich, viele zusätzliche Fragen tauchen auf. Wenn es dann einigermaßen Gestalt angenommen hat, wird man Konsistenz herstellen müssen, da wird dann wieder einiges über die Wupper gehen und umgeschrieben werden. Diese ganze Zeit über wird das Konzept selbstverständlich ständig auf dem Prüfstand stehen (und stehen müssen!). Vom abschließenden Feintuning rede ich jetzt gar nicht, man arbeitet aber immer vom Groben ins Feine!
Okay, ein paar grundlegende Festlegungen sind von Anfang an nötig: Will man blutige Anfänger im Boot haben oder setzt man ein bestimmtes Erfahrungsniveau voraus? Aber jenseits dessen werden viele Fragen erst im Laufe der Arbeit brauchbare Konturen annehmen: Welche Erkenntnismarken will man setzen? Von welchen Vorstellungen des Lernens kann man ausgehen? Wie funktioniert Lernen überhaupt? Durch
Einüben von Schritten: Tu dies, tu das, tu jenes? Oder eher (bzw. nachhaltiger) durch
Probieren und
Verstehen? Wo liegt der optimale Mix?
Wie weit will man gehen, z.B. ausschließlich Komponentenbenutzung oder auch Komponentenentwicklung? Überhaupt: In welchen Bereichen sollte es um
Lernen & Verstehen, in welchen um
Nachschlagen gehen? All das entwickelt sich während der Arbeit ständig weiter, das ist ja gerade das Kreative am Schreiben! Wenn Du hier die Bremse reinhaust, beraubst Du Dich eines entscheidenden Potentials und das Ergebnis wird fast zwangsläufig blutleer und zusammengewürfelt sein. Diese fortwährende Beschäftigung mit konzeptionellen Fragen ist keineswegs verlorene Zeit, sondern ganz im Gegenteil die absolute
Grundvoraussetzung für Qualität! Zumal ja
gleichzeitig Textbausteinentwurf um Textbausteinentwurf produziert und damit überhaupt erst die handwerkliche Ausgangsbasis für ein Buch geschaffen wird.
Cleopatra hat geschrieben:Natürlich gibt es viele Fragen. Aber muß man die alle jetzt schon beantworten?
Nein, eben gerade nicht, siehe oben. Die lassen sich oftmals sogar erst im Laufe der Arbeit vernünftig beantworten. Nur sie dann irgendwann nicht mehr zuzulassen (weil ja schon so viel vermeintlich "
fertig" sei), wäre m.E. ein grober Fehlansatz. Die Gefahr dabei ist, daß man sie am Anfang auf später verschiebt und dann irgendwann übergangslos sagt, jetzt sei es aber zu spät, Dinge infrage zu stellen. Das
Beantworten von Fragen ist was anderes als das
Stellen von Fragen!
Gestellt werden müssen sie frühzeitig, und zwar so grundsätzlich wie möglich am Anfang. Die meisten
Antworten ergeben sich erst im Laufe der Arbeit, darauf kann (und sollte) man vertrauen.
Cleopatra hat geschrieben:Aber warum muß man jetzt schon wissen, ob das Buch gedruckt oder als E-Book erscheinen soll? Ist es nicht sogar besser, man wartet das Ergebnis ab und überlegt dann?
Das geht m.E. überhaupt nicht anders (jedenfalls solange man kein etablierter Buchautor ist).
Gruß Rüdiger